Andrea Maria Schenkel:




"Mein Lieblingsfilm? Es gibt viele, aber ganz spontan.... IN CHINA ESSEN SIE HUNDE. Was mag ich an diesem Film? Den ziemlich schrägen Humor und es ist natürlich ein Krimi, wenn auch ein etwas ungewöhnlicher. Und alleine der Titel ist fantastisch!
Fragen sie mich bitte nicht nach Regisseur und Hauptdarsteller, ich weiß nur, dass es sich um eine dänische Produktion handelt.
Auch der zweite Teil OLD MEN IN NEW CARS ist sehenswert".

Der Regisseur: Lasse Spang Olsen. Die Hauptdarsteller: Kim Bodnia, Dejan Cukik und Nikolaj Lie Kaas. Der Film stammt von 1999 und ich habe ihn damals im Kino sausen lassen, war mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht nur ein schäbiges PULP-FICTION-Imitat ist. Doch die bizarre Geschichte über den Überfall eines Geldtransporters scheint ein eigenständiges und sehr komisches Stück Kino zu sein und schäbig ist höchstens meine klaffende Bildungslücke.

Dem Filmlexikon gefiel er allerdings überhaupt nicht: "Ein ganz auf seine sich verselbstständigenden und immer brutaler werdenden Actionszenen hin inszenierter Film mit zynischer Grundhaltung. Der groteske Aberwitz der Handlung wird nicht zuletzt auch wegen der schwach entwickelten Charaktere nie aufgefangen."

Wirklich neugierig werde ich aber auf den Film, weil er so hochemotionale Verrisse wie den von Thomas Waitz im Schnitt provoziert hat. Er schrieb: "Es sind nicht einmal die sichtbaren Brutalitäten des Films, es ist sein niederträchtiger, alles Menschliche mit Füßen trampelnder Nihilismus, der die Abscheu hervorbringt. Da werden ach-so-coole Witze auf Kosten von Schwulen und Behinderten gemacht. Soll das lachen machen? Soll uns das einen Spiegel vors Gesicht halten? Nein, das ist einfach nur erbärmlich und dumm. Schlicht etwas auszusprechen, was nicht politisch korrekt ist, stellt mithin keinen Witz dar. Das könnte als Abwehr funktionieren, der Film macht sich aber die menschenverachtende Gefühlslosigkeit seiner Figuren, den moralischen Relativismus, nach dem nur das eigene Handeln, das eigene ethische Empfinden zählt, auf widerlichste Art zu eigen und offenbart eine Haltung, nach der die einzige anerkennenswerte Verantwortung die ist, welche man sich selbst gegenüber habe. Zynismus hat immer auch etwas mit einer schmerzhaften, verzweifelten Liebe zu tun. Olsen hat keine Liebe. Weder für seine Figuren, noch für den Zuschauer, noch für das Kino selbst. "

IN CHINA ESSEN SIE HUNDE ist ungekürzt (Fsk-18) problemlos auf DVD in deutscher Fassung zu bekommen.




Andrea Maria Schenkel hat 2006 ihren Debütroman "Tannöd" bei der kleinen, feinen Edition Nautilus in Hamburg veröffentlicht. Und hatte, obwohl keiner sie kannte und es kein nennenswertes Werbebudget gab, einen erstaunlichen Erfolg damit: Die Gesamtauflage übersteigt mittlerweile deutlich die halbe Million, der Titel wurde in über 20 weiteren Ländern veröffentlicht.
Elke Heidenreich, die sich ansonsten nicht sonderlich für Kriminalliteratur interessiert, dürfte mit einer ausdrücklichen Empfehlung in ihrer damaligen ZDF-Sendung nicht unerheblich zum Erfolg beigetragen haben, aber auch diese Empfehlung hätte es nie gegeben, wenn Schenkel da nicht ein sehr originelles und fesselndes Buch geglückt wäre. Es erzählt die Geschichte eines historischen Kriminalfalls, eines bestialischen Mordes an einer Familie und überzeugt vor allem mit der Erzähltechnik, die darin besteht, auf eine verblüffend mitreißende Art einen Flickenteppich aus unterschiedlichsten pseudo-dokumentarischen Erzählstimmen auszurollen.

Das gleiche System hat sie dann im zweiten Roman "Kalteis" erneut angewandt, wieder ein historischer Fall, wieder viele Stimmen und viele Lücken dazwischen und dazu kamen geradezu blutrünstige Schilderungen von Gewalttaten. Die Kritik, bei "Tannöd" noch gleichstimmig jubelnd, reagierte deutlich zurückhaltender, die Verkaufszahlen waren jedoch erneut beachtlich.
Mir schien es völlig legitim zu sein, die gleiche Technik wieder anzuwenden und ich fand auch das Ergebnis durchaus überzeugend.

In diesem Frühjahr ist nun, sympathischerweise, trotz des Erfolgs nicht bei Rowohlt oder Fischer, sondern erneut beim Nautilus Verlag, "Bunker" erschienen und diesmal ist die Aufnahme recht frostig ausgefallen. Andrea Maria Schenkel hat etwas Neues versucht, reine Fiktion, Gegenwart, nicht ganz so ein, auf den ersten Blick, unüberschaubares Stimmengewirr. Zur Strafe wird sie wenig besprochen, vage gelobt oder gleich verrissen.
Und dabei ist die Entführungsgeschichte, die zwischen inneren Monologen von Opfer und Täter wechselt und dazwischen Schilderungen von einem Notarzteinsatz, die chronologisch ans Ende der Geschichte gehören, mischt, keineswegs misslungen, sondern ein vielversprechender Versuch, auf eine ganz neue Weise mit einer Kriminalhandlung umzugehen. Schenkel nimmt sich auf eine erfrischende Weise Freiheiten, die im stark von Konventionen bestimmten Krimigenre kaum sonst einer hat und ich bin sehr gespannt, wohin sie das in Zukunft führen wird. Wer bislang nichts von ihr kennt, kann getrost mit "Bunker" anfangen, glaubt mir. Erfreulicherweise hat der Band, wie die vorherigen und ganz im Gegensatz zum anhaltenden Tausend-Seiten-Trend, einen bescheidenen Umfang, den man problemlos an ein bis zwei Abenden bewältigen kann.
Ob man aber von dem im Herbst in die Kinos kommenden Tannöd-Film viel erwarten kann, wage ich zu bezweifeln. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Macher einen Weg gefunden haben, den Schenkelschen Flickenteppich-Stil adäquat in eine filmische Form zu bringen. Aber warten wir's ab.