Christian Ulmen:




"MAN ON THE MOON. Von Miloš Forman"

Ein Film von 1999 über den legendären Komiker Andy Kaufman. Mit Jim Carrey in der Hauptrolle. Olav Westphalen als Humorkritiker und Adorno-Look-Alike Hans Mentz befürchtete, dass Jim Carrey Andy Kaufman "zu Grunde grimassieren" würde und veröffentlichte darum bereits ein Jahr vor dem deutschen Filmstart ein großes, zweiteiliges Portrait Kaufmans für ein "noch unvoreingenommenes Publikum" in der Titanic.

Er schrieb: "Andy Kaufman war der erste Comedy-Star, der die Erwartungen des Publikums systematisch unterlaufen und absichtlich missinterpretiert hat, der die Witzverweigerung, die kunstvolle Verzögerung und das Tiefstapeln zu seiner Methode gemacht hat. Die Lacher, die er provozierte, waren immer gemischt mit einer Portion Unsicherheit. Unsicherheit darüber, ob das Dargebotene nur witzig gemeint ist oder ob es tatsächlich witzig ist, obwohl es nicht so gemeint ist, oder ob es vielleicht überhaupt nicht witzig ist und vielleicht alle nur lachen, um sich keine Blöße zu geben. Oder wie?"

Der MONDMANN, so der deutsche Titel des Films, war dann allerdings eine positive Überraschung. Hans Mentz im März 2000: "Die gute Nachricht: Der Film ist sehenswert. Jim Carrey war noch nie so wenig Carrey und mithin so erträglich wie in dieser Rolle. Ein großer Teil der legendären Nummern wird detailgetreu und liebevoll nachgestellt und ist selbst im zweiten Aufguss außergewöhnlich lustig. (...) MAN ON THE MOON ist eine sehr gute Einführung in das Werk Andy Kaufmans. Der Versuch, seine Arbeit in einen melodramatischen, hollywoodgerechten Spannungsbogen einzubinden, ist nicht immer frei von Rührseligkeiten, richtet aber auch keinen großen Schaden an, wie auch Courtney Love eher unauffällig mitläuft." Mir altem Biopic-Hasser ging die Dramatisierung doch ein wenig auf die Nerven, aber sogar ich wurde besänftigt durch die neue Dimension der Komik, die sich mir hier eröffnete.

"Es wäre schön, wenn der Film das Interesse an Kaufman fördern und dazu beitragen könnte, dass wir demnächst auch das Original zu sehen bekommen. Ich bin mir sicher, dass z. B. Andy Kaufmans 'Midnight Special' von 1972 sogar deutsch untertitelt noch alles, was die deutsche Fernsehcomedy zu bieten hat, in den Schatten stellen würde", schließt Hans Mentz bzw. Olav Westphalen seine Kritik. Ein frommer Wunsch war das: Zehn Jahre später gibt es immer noch keine einzige Veröffentlichung auf dem deutschen Markt. Wer's auch ohne Untertitel versteht, kann heutzutage aber wenigstens eine Menge auf youtube entdecken. Oder, falls er DVDs mit Regionalcode 1 abspielen kann, sich amerikanische DVDs bestellen.

Präsent ist Andy Kaufman allerdings indirekt bei uns: Stefan Raab bedient sich immer mal wieder recht plump bei dessen Ideen, wenn er etwa als "Eddie Rodriguez" auftritt und mit dieser Figur ganz ähnlich umgeht wie vor drei Jahrzehnten Kaufman mit "Tony Clifton". Ganz zu schweigen vom Frauenboxen, das eindeutig von Kaufmans legendären Wrestlingkämpfen abgekupfert ist.

Auch Harald Schmidt hat in seiner besten Zeit bei Sat1 viel Beifall für etwas cleverer übernommene Einfälle bekommen: Andy Kaufman kam auf die Bühne mit einem Schlafsack und hat dem Publikum nichts weiter geboten als einen schlafenden Entertainer. Oder er hat sich hingesetzt und die volle Zeit unbeirrt aus dem "großen Gatsby" von F. Scott Fitzgerald vorgelesen. Oder sämtliche 100 Strophen eines Sauflieds vorgesungen. Da sind Harald Schmidts Hochkulturausflüge mit oder ohne Playmobil, die Französischsendung oder Sendezeitvernichtungsmaßnahmen wie die legendären 20 Minuten Schwarzbild verdammt nah dran.

Am stärksten hat sich freilich Helge Schneider anregen lassen, auch wenn er keine Nummern 1:1 geklaut hat wie Raab. Seine fast verachtende Haltung zum Publikum und sein Pointenverzicht spiegeln deutlich Andy Kaufman wieder, allein in der ziemlich wahllos herausgegriffenen Szene oben lassen sich gleich mehrere Elemente der Schneiderschen Programme entdecken.

Der seltsame Mondtitel leitet sich übrigens vom gleichnamigen REM-Song her, der sich, musikalisch eher wenig passend, wie ich immer fand, mit niemand anderem als Andy Kaufman beschäftigt.



Christian Ulmen ist ein Fernsehmacher und Schauspieler, dem keiner den Vorwurf des Abkupferns macht. Gleichwohl bewundert er Andy Kaufman sehr: "Auch weil er zunächst scheiterte, niemand seinen Witz verstand und er den aber dennoch immer weitergetrieben hat. Bis in die letzte Konsequenz. Er hat sogar seine eigene Trauerfeier moderiert. Er hatte sich selbst, vor einem Vorhang stehend und Witze erzählend, mit der Videokamera aufgenommen, und dieses Band lief während seiner Beerdigung. Bis in den Tod hinein seinen Humor durchzuziehen, davor habe ich Respekt. Und ich mag seinen Humor einfach. Dieses Hintergründige. Das Absurde. Dass man es vielleicht auch gar nicht versteht. Und diese Kämpfe mit Programmdirektionen, dieses: Das versteht doch keiner. Er hat nie nachgegeben."

Christian Ulmen ist in Hamburg groß geworden, hier hat er seine ersten Radiobeiträge schon mit dreizehn Jahren gemacht und später für MTV in seiner Sendung "Unter Ulmen" allen möglichen Irrsinn ausprobieren können und dabei oft vorzüglich und sehr eigenwillig unterhalten, machmal aber auch schwer genervt, was nicht nur am ständigen Einsatz des Weitwinkelobjektivs über seinem Kopf im Studio lag.
Nach seiner erstaunlichen schauspielerischen Leistung als HERR LEHMANN überraschte er 2005 mit dem unglaublich komischen und originellen Format "Mein neuer Freund", über das Nils Minkmar in der FAS schrieb: "Nun wurde die lustigste, unverschämteste, überschwänglichste und inspirierteste Sendung im deutschen Fernsehen seit langem, Christian Ulmens 'Der neue Freund', nach nur einer Folge aus dem Pro-Sieben-Programm genommen. Wer solche Entscheidungen trifft, hätte zuverlässig auch die Simpsons und Harald Schmidt verhindert und müßte per Staatsvertragsklausel dazu verpflichtet werden, nur noch Klingeltonwerbung zu senden und in Telefongesprächen jedes zweite Wort durch 'JambaJamba' zu ersetzen und dabei auf einem Bein zu hüpfen. Immer auf einem Bein zu hüpfen. Irgendwas zu machen, bloß kein Fernsehen. Denn er kann gute nicht von schlechten Sendungen unterscheiden, und das ist in dem Job ein bisschen blöd." Nach lautem Fanprotest kehrte die Sendung auf einem späteren Sendeplatz schließlich ins Programm zurück.
Es folgten diverse weitere Engagements als Schauspieler, viel Lob erhielt er vor allem für seine Verkörperung von "Dr. Psycho" in der gleichnamigen Serie von Ralf Husmann.

Und vor einem halben Jahr schließlich hat er mit der eigenen Firma Ulmen Televison GmbH den sehr ehrgeizigen Versuch gestartet, quoten- und senderunabhängig Fernsehinhalte zu produzieren, die exklusiv im Netz veröffentlicht werden, bei ulmen tv. Dafür wurden einige der von Ulmen gespielten widerlichen "neuen Freunde" reanimiert, die jetzt fortwährend unterschiedlichsten Mitmenschen das Leben schwer machen. Das Projekt ist vielversprechend gestartet, kann sich aber unmöglich im Netz refinanzieren: Da wird auf Zweitverwertung im Fernsehen und auf DVD gebaut, wie Ulmen im Interview mit DWDL erläutert.
So erfreulich es ist, dass Christian Ulmen sich nicht kleinkriegen lässt und höchst ungewöhnliche Wege geht, um seine Vorstellungen zu realisieren, so bedauerlich ist es doch, dass es trotz all der Gebühren keinen Fernsehsender in Deutschland gibt, der eine Weile auf die Quote pfeift und jemanden wie ihn einfach machen lässt.



Und ein Film, den wir glücklicherweise nicht gesehen haben:

Stimmt gar nicht, ich hab‘ ihn gesehen. Mich von all den Lobeshymnen in der Presse betören lassen. Und es bitter bereut. Es ist der direkte Vorgänger von MAN ON THE MOON. Regisseur wie auch Drehbuchautoren sind identisch, selbst Courtney Love ist hier ebenfalls dabei. Und alles, was an Biopics saublöd ist, war es hier auch wieder. Vor allem, wenn man sich nicht die Bohne für das Leben des ferkeligen Herausgebers eines amerikanischen Tittenblatts interessiert. Danach hatte ich mir geschworen, Biopics unter allen Umständen zu meiden.