Stefan Niggemeier:




"Ich weiß leider nicht mehr, ob ich zuerst den Film von Alan Parker gesehen habe oder vorher schon das Buch von William Wharton gelesen hatte - ich weiß nur noch, dass mich beides umgehauen hat. Ich war 14, als der Film rauskam, und ich habe ihn damals viele Male in einem kleinen Programmkino in Osnabrück angesehen. Ich glaube, ich habe den Film für viele Leute, die ich mitgenommen habe, schon dadurch ruiniert, dass ich die ganze Zeit vorher von der wunderbaren Szene vorgeschwärmt habe, in der Birdy endlich fliegt, nicht mit seiner klapprigen Flugzeugkonstruktion, sondern richtig fliegt, und wir und die Musik von Peter Gabriel mit ihm. Ich bin mir fast sicher, dass ich noch im Kino ununterbrochen gesagt habe: Gleich kommt's - was auch nicht hilft.
Fast fünfundzwanzig Jahre später betrachtet, fehlt dieser Szene etwas das Spektakuläre, aber BIRDY ist immer noch ein großartiger Film über die Flucht aus einer unerträglichen Realität, über den Krieg natürlich und die Freundschaft, vor allem aber: über das Anderssein, die Unfähigkeit und den Unwillen, sich anzupassen - mit einem wunderbar leichten Schluss."

BIRDY entstand 1984, die Hauptrollen spielten Matthew Modine und Nicholas Cage. Regisseur Alan Parker hatte vorher schon so unterschiedliche Filme gemacht wie das Pink-Floyd-Spektakel THE WALL, den legendären Thriller MIDNIGHT EXPRESS oder die Gangsterfilmparodie BUGSY MALONE, in der sämtliche Rollen von Kindern gespielt werden, darunter Jodie Foster als Vamp. Ich habe BIRDY damals auch in einem Programmkino gesehen, jedoch nicht im Atlantis in Osnabrück, sondern im damals ältesten und schönsten Kino Hamburgs, dem Thalia in der Grindelallee. Und mir hat auch einmal gereicht, obwohl niemand neben mir unentwegt meine Erwartungen hochgeschraubt hatte. Das war mir damals einfach zu pathetisch und aufgeblasen, das Vogelmotiv fand ich albern, statt mitzufühlen, fühlte ich mich abgestoßen. Vielleicht war der Peter-Gabriel-Soundtrack schuld? Nach obiger Lobpreisung werde ich mein Urteil überprüfen, der Film ist glücklicherweise völlig problemlos auf DVD zu bekommen.



Stefan Niggemeier ist der bekannteste Medienjournalist Deutschlands. Wurde so vielleicht noch nicht geschrieben, aber wer wollte da widersprechen, gibt schließlich keine anderen ernstzunehmenden Anwärter auf den Titel weit und breit. Den Bekanntheitsgrad hat er sich weder als Autor für die Medienseite der Süddeutschen erworben, für die er vier Jahre schrieb, noch als Medienredakteur der FAS, einen Job den er vom Start des Blattes 2001 bis vor zwei Jahren gemacht hat. Nein, der Ruhm kam mit den Blogs. 2004 gründete er mit Christoph Schultheis das Bildblog, in dem täglich der Auswurf der Dreckschleuder des Axel Springer Verlages unter die Lupe genommen wird, ein Kontrollorgan, so lobenswert wie unverzichtbar. Irgendetwas auch nur annähernd Vergleichbares haben die Demonstranten 1968 nicht zustande gebracht. Aber die hatten auch nur Pflastersteine und kein Internet.
Täglich hat Bildblog, das von "einer Handvoll Journalisten" geschrieben wird, sagenhafte 46.000 Besucher, eine Größe, die garantiert, dass die Kontrollfunktion des Blogs auch wirksam ist, da dürften von Bild abschreibende Kollegen zumindest etwas vorsichtiger geworden sein.
Unter eigenem Namen betreibt Niggemeier seit zwei Jahren ein Medienblog, das mittlerweile auch schon auf täglich 6000 Besucher kommt, die dort in bestechend klarer Sprache, blitzschnell und höchst unterhaltsam etwa über die Niederungen des Call-TV, die Blödheiten des Onlinejournalismus (Geht Sterben!) und die Schönheit zweifelhafter Symbolfotos informiert werden. Als Leser ist man Zeuge eines unermüdlichen Kampfes für besseren Journalismus, in dem immer wieder auch kleine Siege errungen werden. Und auf lange Sicht vielleicht auch große. Erstaunlicherweise sind Kommentare zugelassen, die so zahlreich eingehen, dass allein die Moderation eigentlich ein Vollzeitjob sein müsste.
Aber das Fernsehlexikon macht er auch noch, zusammen mit Michael Reufsteck und Jochen Stöckle, ein weiteres Blog, das eigentlich nur zur cleveren Bewerbung des in Buchform erschienenen Lexikons gedacht war, sich als Plattform für Fernsehkritik und -geschichte aber auch schon in die Top 100 der deutschen Blogcharts hochgearbeitet hat.
Und jüngst, genauer gesagt, Anfang dieses Monats, ist auch noch das Fernsehblog unter den Fittichen von faz.net dazugekommen, für das er zusammen mit Peer Schrader schreibt. ("Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.") Für denselben Verlag ist er außerdem als Autor der Fernsehkritik in der FAS noch immer jede Woche tätig.
Keine Ahnung, wie er das alles schafft und wieso er obendrein noch Zeit hat, auf Fragen nach seinem Lieblingsfilm zu antworten. Ein Wunder, der Mann.


Und ein Film, den wir zum Glück nicht gesehen haben:

Matthew Modine hat mittlerweile eine Menge Zeugs in seiner Filmografie, das wir erfreulicherweise nie gesehen haben. In diesem Machwerk von 2004 trainiert er als CIA-Mann einen Kampfschimpansen, dargestellt von einem Mann im Affenkostüm, der die eigentliche Hauptrolle abbekommen hat. Soll in jeder Hinsicht ganz ganz furchtbar sein. So schlimm, dass nach Abschluss der Dreharbeiten in Frankreich und anschließender Sichtung bis auf wenige Minuten alles in den USA nochmal gedreht wurde, was offenbar aber auch nichts genützt hat, so dass der Film nur achtelherzig mit einer Handvoll Kopien in den Staaten gezeigt wurde und anschließend gleich in die DVD-Verwertung ging.
Tut mir leid, dass ich Euch mit dem Wissen um die Existenz dieses Films belastet habe. Vergesst es am Besten gleich wieder.