Karen Duve:





"DEAD MAN. von Jim Jarmusch"

In Jarmuschs Film von 1995 reist Johnny Depp in einem Westernsetting wie in einem Traum seinem eigenen Ende entgegen. Erzählt wird das in wunderschön komponierten Schwarz-Weiß-Bildern von Robby Müller (den ich zu gern mal nach seiner Meinung zu dem aktuellen Wim-Wenders-Schrott fragen würde), Neil Young pluckert ein paar schräge Akkorde dazu und zu den seltsamen Gestalten, die ihm über den Weg laufen gehören Iggy Pop, John Hurt und
Billy Bob Thornton.
Der Name der Hauptfigur ist William Blake. Roger Ebert dazu: "Einigen meiner Leser wird der Name William Blake etwas sagen, und sie werden sich fragen, ob es irgendeine Verbindung zwischen der Figur und dem geheimnisvollen britischen Dichter gibt, der 1827 gestorben ist. Es gibt eine: Sie tragen denselben Namen."
Während ich die langsame Erzählweise und den lakonischen Ton sämtlicher anderer Jim-Jarmusch-Filme sehr mag, habe ich mich seinerzeit beim DEAD MAN ein kleines bisschen gelangweilt. Mir fehlte da schlicht die Komik. Aber Karen Duve steht mit ihrer Wertschätzung nicht allein: Bei imdb erreicht der Film die Durchschnittsnote 7,7.

Jarmuschs jüngster Film ist gerade fertig geworden. Es spielen Tilda Swinton und erneut Bill Murray mit, bei uns startet er im Juni. Hier ein paar erste Bilder und Informationen.



Karen Duve hat 1999 aus dem Nichts ihren großartigen "Regenroman" veröffentlicht und dafür viel verdienten Beifall bekommen. Im seriös verschnarchten deutschen Literaturbetrieb gab es auf einmal ein Buch, dass keine Angst vor unterhaltender Genreliteratur hatte und seine sehr feuchte und mit absurder Komik getränkte Thrillerhandlung so kunstvoll, lakonisch und trocken erzählte, dass Vergleiche zum amerikanischen Meister des Dialogs und der Perspektivwechsel, Elmore Leonard, gerechtfertigt waren. Immer noch das geeignetste Geschenk, das man Freunden machen kann, die sich ein Häuschen auf dem Lande zulegen.

Zwei Romane folgten, die ich beide nicht gelesen habe. Bei "Dies ist kein Liebeslied" schreckte mich das Cover ab, das schwer nach Frauenzeitschriftsthema aussah und der übersetzte Songtitel von PIL als Titel lockte mich auch nicht gerade. War vermutlich ein Fehler, hebt das Buch doch äußerst vielversprechend an: "Eines Tages, genauer gesagt am Donnerstag, den 20. Juni 1996, beschloss ich, dass die Sache ein Ende haben müsste, ein schlimmes oder eines, das ich mir nicht vorstellen konnte. Und ich ging in ein Reisebüro und kaufte mir einen Flugschein nach London, wie sich andere Leute einen Strick kaufen."

2005 erschien dann "Die entführte Prinzessin" und da spielten für meinen Geschmack dann doch zu viele Fabelwesen und andere Märchenelemente eine Rolle.


Ihr jüngster Roman aus dem letzten Jahr heißt schlicht "Taxi" und schildert das trostlose Berufs- und Liebesleben einer jungen Taxifahrerin im Hamburg der Achtziger Jahre. Es gibt jede Menge Gemeinsamkeiten mit Karen Duves Biographie. Erst fürchtete ich, dass mir das bei durchgehend eingehaltener Erzählperspektive der Protagonistin, vielen Döntjes aus dem fahrenden Gewerbe und durchweg bescheuerten männlichen Hauptfiguren schnell langweilig werden würde, doch das Gegenteil war der Fall. Die Anekdoten sind locker gestreut und werden erfreulich nüchtern, pointenfrei und trotzdem komisch erzählt, und an den Schilderungen der widrigen Lebensumstände der antriebsschwachen Heldin nahm ich mehr und mehr Anteil.

Alle paar Seiten gibt es wunderbare Stellen wie: "Ich musste mir etwas einfallen lassen. Meine ehemaligen Mitschüler studierten schon seit anderthalb Jahren, und wenn ich nichts tat, würden sich meine Eltern wieder irgendeinen langsamen Tod in einem Büro für mich ausdenken."

Oder: "Ich war wie ein Orang-Utan, den ein geiziger Zoo aus Raummangel im Schimpansengehege hielt, wo ihn die Schimpansen zwangen, ein Schimpansenleben zu führen, und ihm gleichzeitig ständig vorhielten, dass er niemals etwas so Tolles wie ein Schimpanse sein würde."

Und: "Beim Anblick der aufgeweichten und überfrorenen, an billiges Toilettenpapier erinnernden Feuerwerksreste hatte ich schon wieder die Nase voll vom neuen Jahr."

Oder auch: "Ich bog in die Volksparkstraße ab, fuhr unter der A7 durch und druchstreifte das Industriegebiet rund um den Bahnhof Eidelstedt. Ich mochte diese Gegend, weil hier nachts keine Menschen herumliefen. Auf Natur legte ich nicht besonders viel Wert, Hauptsache, es gab keine Menschen."

Eine noch: "Ich ging noch einmal ins Badezimmer, schloss hinter mir ab und sah in den Spiegel. Ich war froh, dass ich so gut aussah. Die äußere Erscheinung war doch ein verlässlicherer Wert als so eine schwammige Angelegenheit wie Intelligenz."

Die letzte: "Martin war der Fotograf. (...) Ich sollte mich nackt mit einer Deutschlandfahne auf dem Boden wälzen und eine Windmaschine würde dafür sorgen, dass das nicht blöd aussah. Später würde dann noch die Berliner Mauer ins Bild retuschiert werden und dann würde das Ganze einen Sinn ergeben, der sich mir nur noch nicht erschloss."

Mein wärmste Empfehlung. Müsste zur Zeit in jeder Buchhandlung vorrätig sein.