Hermann L. Gremliza:




"Jede fünfzigste Anfrage wird beantwortet. Sie haben Glück:
OSCAR von Edouard Molinaro mit Louis de Funès."

Der Film von 1967 ist unumstritten einer der besten Filme mit dem französischen Komiker und das, obwohl er auf einem Theaterstück beruht und fast durchgehend in den immergleichen Räumen eines einzigen Hauses spielt. Aber für Louis de Funès ist der durch pure Verwechslungen in den Wahnsinn getriebene Unternehmer die Paraderolle, mit der er schon auf der Bühne acht Jahre zuvor groß wurde, ein cholerischer Charakter, der Vorbild für zahlreiche weitere seiner Filmfiguren wurde. Der enge Rahmen lässt die Wirkung seines Wütens um so größer erscheinen, sämtliche anderen Darsteller werden zu reinen Stichwortgebern und Zuschauern degradiert. Die Boulevardburleske schnurrt in hohem Tempo, die Pointen folgen dicht aufeinander, mit immer neuen Wendungen und Überraschungen wird die Handlung vorangetrieben und gespielt wird staccato, ohne Atem zu holen. Man kann sich unmöglich irgendeinen anderen Schauspieler in dieser tour de force vorstellen.

Der titelgebende "Oscar" ist übrigens keineswegs die Rolle von de Funès, sondern der von ihm entlassene Chauffeur, in den sich seine Tochter verliebt hat. Die deutschen Verleiher haben nach dem großen Erfolg trotzdem zahlreiche deutsche Titel für andere de-Funès-Filme folgen lassen, die dann BEI OSCAR IST ´NE SCHRAUBE LOCKER, OSCAR HAT DIE HOSEN VOLL oder OSCAR LÄSST DAS SAUSEN NICHT hießen. Das ging bis in die Achtziger Jahre ohne Sinn und Verstand weiter, nur dass Oscar erst gegen Balduin und dann gegen Louis in immer neuen schwachsinnigen Titeln ausgetauscht wurde. Dabei handelte es sich keineswegs um neue Filme, die Verachtung für das Publikum, mit der in der Branche hierzulande vorgegangen wurde, lässt sich daran ablesen, wie ununterbrochen die immer gleichen Filme mit neuen Titeln und ohne jeden Hinweis auf den Etikettenschwindel erneut in die Kinos gedrückt wurden. OSCAR selbst tauchte auch auf als LOUIS DER TRAUMTÄNZER, LOUIS UND OSCAR und OSCAR DER KORINTHENKACKER.

Hübsch die Platzierung des "Prädikat: 'Wertvoll'". Die deutschen Synchronfassungen sind zum Teil auch berüchtigt, da ist oftmals jede Menge dämliches Geblödel im Dialog, das im Original schlicht nicht vorhanden ist, bei OSCAR soll die deutsche Fassung aber ganz in Ordnung sein, vermutlich hat das hohe Tempo kaum Raum für solche ärgerlichen Ergänzungen der deutschen Autoren gelassen. Hier eine Kostprobe:



Die jahrzehntelange Verleihpraxis gibt auch einen Hinweis auf das avisierte Publikum. De-Funès-Filme waren nie ewas für Cinéasten, im Feuilleton kamen sie nicht vor und mit einer Nennung in dieser Rubrik hätte auch ich heute nie gerechnet, so wenig wie ich erwarte, dass mir mal jemand mit ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE antwortet. Meine eigene Begeisterung für die Filme mit dem komischen Giftzwerg klang mit dem Erwachsenwerden ab, irgendwann schien mir das alles zu albern und irrelevant zu sein und zum Wiederentdecken bin ich nie gekommen. Bis jetzt.

Hermann L. Gremliza ist Autor und Herausgeber von Konkret, der linken politschen Zeitschrift mit einer abenteuerlichen Vergangenheit: Gegründet 1955 als Studentenkurier von Klaus Hübotter und Klaus Rainer Röhl, war das Blatt schnell immens einflussreich und sammelte Autoren vom Kaliber Peter Rühmkorffs und Arno Schmidts, wurde eine Zeitlang finanziell unterstützt von der DDR, hatte Ulrike Meinhof, die Frau Röhls, als Autorin und Chefredakteurin und wurde von Röhl schließlich in den frühen Siebzigern in den inhaltlichen und wirtschaftlichen Bankrott geführt. Dass das unrühmliche Ende als Tittenpolitpostille nicht ein endgültiges war, ist Gremliza zu verdanken, der 1974 als Herausgeber einen Neuanfang wagte.
Und so unruhig die Geschichte des Blattes bis dahin war, so erstaunlich konstant erscheint seitdem monatlich das kritische Blatt, das mehr oder weniger polemisch zu Felde zieht gegen das gesamte wirtschaftliche und politische System dieser Republik, gegen Nationalismus (besonders deutschen), Antisemitismus (besonders linken), Religion und jede Art der Ausbeutung. Eine einzigartige und unbeirrbare Fundamentalopposition, die niemand sonst leistet, schon gar nicht irgendwelche im Bundestag vertretenen Parteien.
Die größte Konstanz besteht in den Beiträgen Gremlizas selber, die seit jeher das Heft einrahmen: Vorn die sprachlich wie gedanklich geschliffene Analyse der jeweils gerade größten Sauereien, hinten, in "Gremlizas Express", die aufgespießten und gewitzt kommentierten kleinen Haufen anderer Medien. Das geht so Monat für Monat, Jahr für Jahr, ohne dass sich je eine Formschwäche abzeichnet, ein Lesevergnügen selbst für jene, die in keiner Frage je mit ihm übereinstimmen.
Ein Beispiel aus dem aktuellen "Express":

"Auf die Frage, wozu Religion da ist, gibt es viele Antworten, metaphysische und psychosoziale, feinsinnige und grobe. Keine von ihnen ist kürzer und bündiger als die Aufklärung, welche die Hamburger Bischöfin Maria Jespen ihren Schäfchen anlässlich der Finanzkrise erteilt hat:
'Der erste Schritt zu einer Umkehr ist das Eingeständnis eigener Fehler.' Dabei greife es zu kurz, eine Schuld nur bei den Bankberatern, Finanzmanagern und Politikern zu suchen. Der Buß- und Bettag könne eine Gelegenheit sein, sich über eigenes Fehlverhalten Gedanken zu machen, um Vergebung zu bitten und von Gott Kraft zur Umkehr zu erhoffen, sagte Maria Jespen.
Dass die alleinerziehende Verkäuferin, die der Anlageberater einer Bank um die für den Kauf von Lehrmitteln gesparten letzten zehn Weihnachtsgelder geprellt hat, in sich und auf die Knie geht, anstatt einen Kübel Jauche in die Lobby des Finanzinstitus zu kippen: Dafür ist Religion da."



Und ein Film, den wir zum Glück nicht gesehen haben:


Die Filme mit Louis de Funès sind keinesfalls alle großartig, aber so richtig furchtbar und unerträglich scheint da nach seinem Durchbruch zum Starkomiker kein einziger Film zu sein. Auch nicht die immer liebloser abgedrehten Sequels der Gendarm-von-St-Tropez-Serie. Aber das hier möchte ich nun wirklich auf keinen Fall sehen. Eine dämlicher Abklatsch, der "Briefträger von St. Tropez". Regie führte der offenbar talentlose Richard Balucci, der am Drehbuch des Originals von 1964 beteiligt war. Michel Galabru, bei den Gendarm-Filmen immer dabei, wurde auch angeheuert. Das Filmlexikon warnt: "Im Stil der Louis-de-Funes-Filme inszenierte Komödie, die den Alltag des südfranzösischen Nobelbades zu karikieren versucht; schlecht gespielt und miserabel inszeniert."